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Gerichtsurteil

Job bei der Kirche auch ohne Konfession möglich

Gwengoat/istockphoto.com

Das Urteil betrifft hunderttausende Beschäftigte in den evangelischen Kirchen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat geurteilt: Kirchliche Arbeitgeber dürfen nicht bei jeder Stelle von Bewerbern eine Religionszugehörigkeit fordern. Hintergrund ist ein Fall aus Deutschland. Kirchenpräsident Jung versichert, dass die EKHN auf die Folgen des Urteils vorbereitet sei.

Konkret hatte sich eine konfessionslose Berlinerin ohne Erfolg beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben. Sie klagte daraufhin wegen religiöser Diskriminierung.
Zu dem Fall urteilte am Dienstag der EuGH: Gerichte hätten festzustellen, ob die Voraussetzung einer bestimmten Konfession im Einzelfall „wesentlich“, „rechtmäßig“ und „gerechtfertigt“ sei.

 

Frage nach dem kirchlichen Profil 

 

Dr. Volker Jung, Kirchenpräsident der EKHN, weist darauf hin, dass in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und in der Diakonie bereits heute in einigen Stellen Menschen beschäftigt seien, die nicht zur Kirche gehörten. Deshalb schätzt er das Urteil so ein: "Von daher ist das EuGH-Urteil nichts, was uns in den Grundfesten erschüttert." Das Urteil bestätige zum einen das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, fordere aber zum anderen, "dass wir verdeutlichen müssen, wo die Kirchenmitgliedschaft unbedingt erforderlich ist." Kirchenpräsident Jung erinnert daran, dass es bereits seit einiger Zeit auch Diskussionen darüber gebe, wie die Öffnung der Angestelltenverhältnisse so gestaltet werden könne, dass das kirchliche Profil der Einrichtungen auch bei der Mitarbeit von Menschen gewahrt bleibe, die der Kirche nicht angehörten oder sich zu einer anderen Religion bekennen. 

 

EKHN ist auf Folgen des Urteils vorbereitet

 

"Ich finde, das Urteil kann zu einer innerkirchlichen Klärung beitragen. In etlichen Stellen, gerade in diakonischen Einrichtungen, ist es längst Realität, dass Menschen beschäftigt sind, die nicht zur Kirche gehören oder einer anderen Religion angehören", erklärt der Kirchenpräsident. Er beschreibt, was das für die Praxis in Zukunft bedeutet: "Jetzt müssen wir deutlicher sagen, bei welchen Stellen und aus welchen Gründen eine Kirchenmitgliedschaft unbedingt erforderlich ist." Das werde Diskussionen mit sich bringen. Die hessen-nassauische Kirche sei darauf vorbereitet. Volker Jung versichert: "Wir arbeiten seit Jahren intensiv an diesem Thema und haben dazu etwa 2015 die Studie `Vielfalt und interkulturelle Öffnung´ herausgegeben, die Mut macht, diesen Prozess aktiv zu gestalten." 

 

Haltung der EKD

 

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) äußerte sich differenziert und zeigte zunächst ihre Anerkennung. „Die EKD begrüßt, dass der EuGH die von der Kirche selbstbestimmte Gestaltung des Arbeitsrechts für Kirche und Diakonie im Grundsatz erneut bestätigt hat. Der EuGH bekräftigt damit wie zuvor die nationale Rechtsprechung den Grundsatz, dass Kirche und Diakonie ihr Arbeitsrecht autonom gestalten können“, so der Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Hans Ulrich Anke.

 

Kritischer Punkt

 

Zugleich bedauere die EKD, dass der EuGH dabei dem Artikel 17 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union nicht ausreichend Geltung verschafft habe. Nach dieser Bestimmung achtet die Europäische Union die rechtliche Stellung, die Religionsgemeinschaften in den Mitgliedsstaaten haben, und beeinträchtigt sie nicht.

 

Christliche Haltung wichtig in täglicher Arbeit

 

„Die Prägung der Arbeit hängt ganz maßgeblich an den Personen, die ihren christlichen Glauben und ihre christliche Haltung in das Wirken der Einrichtung und Unternehmen von Kirche, Caritas und Diakonie einbringen. Deshalb ist es so wichtig, dass den Kirchen und Religionsgemeinschaften die erforderliche Gestaltungsfreiheit auch bei der Personalauswahl gewährleistet wird“, so Hans Ulrich Anke.

 

Diakonie Deutschland: Müssen christliche Prägung gewährleisten

 

Ähnlich sieht es auch die Diakonie Deutschland. „Für die Arbeit der Diakonie ist eine evangelische Prägung wichtig. Diese erwarten auch die Menschen von uns, die uns ihre Kinder, Eltern oder Kranken anvertrauen“, so Jörg Kruttschnitt, der Rechtsvorstand der Diakonie Deutschland.

„Dabei halten wir es für sachgerecht, dass Kirche und Diakonie bestimmen können, für welche Tätigkeit im konkreten Fall eine Kirchenmitgliedschaft notwendig sei, um diese evangelische Prägung zu gewährleisten“, sagt Kruttschnitt.

 

Gestaltungsfreiheit in der Diskussion

 

Diese nach dem Grundgesetz gewährleistete Gestaltungsfreiheit schränke das Urteil des EuGH nun über das Europarecht ein. Es müsse Sache der Kirche bleiben, die auf die Religion bezogenen Anforderungen für die berufliche Mitarbeit in Kirche und Diakonie aufzustellen, so Anke.

 

Gerichte können religiöse Anforderungen nicht beurteilen

 

Der Kirchenamtspräsident betont weiter, dass die Gerichte eines säkularen religiös neutralen Staates keine Instrumente dafür hätten, differenziert die Angemessenheit der auf die Religion bezogenen Anforderungen an die Mitarbeit am kirchlichen Auftrag zu beurteilen, wie es der EuGH nun erwarte.

 

Urteil des Bundesarbeitsgerichtes abwarten

 

Die Evangelische Kirche werde die Urteilsgründe sorgfältig prüfen und zunächst die erforderliche Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts abwarten. Je nach Ausgang des Urteils des Bundesarbeitsgerichts müsse dann zusammen mit der Diakonie Deutschland geprüft werden, ob die Entscheidung mit dem Religionsverfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland vereinbar sei.

„Dort, wo es nach kirchlichem Selbstbestimmungsrecht möglich ist, sind selbstverständlich auch anders- oder nichtgläubige Menschen zur Mitarbeit im kirchlichen und diakonischen Dienst eingeladen,“ so Anke. Dafür habe sich seit Ende 2016 die kirchliche Rechtsordnung bereits weiter geöffnet, zugleich mit der Anforderung, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche erfüllen.

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